86. Jahrestagung

Am 13. und 14. Mai 2011 fand in Oberhof die 86. Jahrestagung der Gesellschaft unter dem Thema “Haltung und Gang” statt. Der Freitag der 13. war für die veranstaltende Klinik für Neurologie des SRH Zentralklinikum Suhl unter der Leitung von Dr. Björn Walther eher ein glücklicher Termin, ließen sich doch mehr als 100 Teilnehmer an diesem ersten Veranstaltungstag von den ausgesprochen interessanten Themen und hochkarätigen Referenten nach Oberhof locken. Entsprechend dem Rahmenthema setzten sich die Beiträge mit Gang, Bewegungsstörungen und Schwindel im Besonderen auseinander.

Kati Zorn (Cursdorf): Weisheit und Jugend

Kati Zorn:
Weisheit und Jugend
Prof. Peter Vieregge aus Lemgo berichtete über Gangstörungen im Alter, eine der bedeutsamsten Einbußen biologisch-sozialer Kompetenz des Menschen, ihrer Ursachen und Behandelbarkeit. Der Vortrag spannte einen interessanten Bogen von der Pathophysiologie des Gehens über die klinische Beschreibung des Gangs bis hin zur Diskussion einzelner Krankheitsbilder.

Die Vielfalt psychiatrischer Begleitsymptome beim Parkinson-Syndrom stellte Herr Professor Andres Ceballos-Baumann aus München vor, ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Bewegungsstörungen Erwachsener. Gerade die nicht-motorischen Symptome werden bei der Betreuung von Parkinson-Patienten oft nicht ausreichend erkannt oder ernst genommen, obwohl sie teilweise gut behandelbar sind. So leiden etwa 45 % der Parkinson-Patienten unter Depressionen. Anhedonie, Demenz und Halluzinationen werden bei bis zu 40 Prozent der Parkinson-Patienten beobachtet. Die Zuhörer konnten wichtige Empfehlungen zur Behandlung dieser Beschwerden mitnehmen.

Der Vortrag von Dr. Helmut Schaaf aus der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen zur Psyche bei Schwindelerkrankungen war mit Spannung erwartet worden, da im klinischen Alltag das Symptome Schwindel allgegenwärtig ist und der Umgang damit erhebliche fachrichtungsspezifische Spielräume lässt. Mit seiner eigenwilligen Art der Präsentation und seinem durchdringendem Grundverständnis der vorgestellten Materie konnte der ausgebildete Anästhesist und Psychotherapeut das Auditorium fesseln und alle anwesenden Fachrichtungen überzeugen. An Schwindel Erkrankten ist zu helfen, wenn man die Erkrankung zu ihren Ursprüngen zurück verfolgt und Ihnen mit einem gefestigten Konzept zur Seite steht.

Anschließend war der Blick über den “Tellerrand” hinaus erlaubt beim Beitrag zu Bewegungsstörungen bei Kindern mit psychischen Erkrankungen von Herrn Professor Gerhard Kurlemann, Neuropädiater aus Münster. In einem Feuerwerk von kasuistischen Präsentationen, sämtlich illustriert durch eindrückliche Videosequenzen, demonstrierte der Referent, wie genaue Kenntnis klinischer Krankheitsbilder und Phänomene hilft, den oft schmalen Grat zwischen normalen motorischen Mustern, psychogenen Bewegungsstörungen und eben doch klassischen Krankheitsbildern bei Kindern und Jugendlichen zu begehen.

Der letzte Teil des Nachmittags war den Bewegungsstörungen in der Kunst gewidmet. Herr PD Dr. Lemke aus Jena besprach an einigen Beispielen der bildenden Kunst und in eigenen Interpretationen Bewegungsstörungen an Gemälden und Skulpturen aus der vorchristlichen bis in die heutige Zeit. Herr Professor Dr. Gerhard Reichel aus Zwickau mit seinem ihm eigenen vergnüglichen Vortragsstil beschrieb Bewegungsstörungen bei berühmten Menschen und überraschte dabei mit eigenen Thesen und Nachforschungen zu den Erkrankungen von Schumann und Matisse.

Dank des schönen Wetters in Oberhof konnten die Teilnehmer in den Pausen die gute Thüringer Luft im Kurpark genießen. Die Jahrestagung gab wieder einmal Gelegenheit, in netter Atmosphäre gute Gespräche mit alten Bekannten zu führen und neue Kontakte zu knüpfen. Der erste Tag klang in der Joel-Bar aus bei ausgezeichneter Musik durch das Trio “Fabri” und einem Flying Buffet.

Auch der zweite Tag war mit etwa 60 Teilnehmern gut besucht. Herr Professor Reichel und Herr Professor Kurlemann hatten sich für das Morgen-Seminar Tag vorbereitet. Herr Reichel ließ tief in seinen Erfahrungsschatz zur Diagnostik und Therapie der Dystonien blicken. Herr Kurlemann setzte seine Videopräsentation zu Bewegungsstörungen bei Kindern mit dem Schwerpunkt “Nicht alles was zuckt ist epileptisch” fort.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass das Niveau der anschließenden freien Vorträge in diesem Jahr ausgezeichnet war. Unter den 6 in die Wertung zur Verleihung des traditionellen Theodor-Ziehen-Preises aufgenommenen Vorträge konnten in der Wertung nach geheimer Abstimmung durch den Vorstand der Gesellschaft am Ende zwei Beiträge die gleiche Punktzahl erreichen, so dass es in diesem Jahr zwei Preisträger gibt, unter denen das Preisgeld von 500 Euro aufgeteilt wird. Dies sind Frau Dr. Ursula Reuter aus der Klinik für Neurologie, SRH Zentralklinikum Suhl mit ihrem Beitrag “CADASIL – typisch und untypisch” und Herr Patrice Brell aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Katholisches Krankenhaus Erfurt mit dem Thema “Das Geschwind-Syndrom – zwischen Anfall und Anstalt”.

Die Tagung fand ihren nachdenklichen Abschluss mit dem durch Herrn Dr. Uwe-Jens Gerhard vorgetragenen und gemeinsam mit Frau Dr. Anke Schönberg erarbeiteten Vortrag zum Thema “Die Täter nach 1945 – Nachkriegsschicksale der an Zwangssterilisation und Euthanasie beteiligten Ärzte”, der noch im Anschluss viel diskutiert wurde.

Schön war, dass sich auch nach Ende der Veranstaltung die Teilnehmer nicht nehmen ließen, bei einer abschließenden Bratwurst oder einem Rostbrätel die Tagung mit Gesprächen ausklingen zu lassen.

Insgesamt kann der Veranstalter mit dem Ablauf der Tagung zufrieden sein. Auch wenn vor Beginn der Tagung der Eindruck bestand, dass die Themenauswahl etwas sehr zugunsten neurologischer Inhalte ausgerichtet war, waren sich alle beteiligten Fachrichtungen am Ende einig, dass die Hauptreferate dem interdisziplinären Gedanken nur mehr als gerecht wurden. Und dies setzte sich auch bei den freien Vorträgen am Samstag fort.

Sicher ist es der Lage im südthüringischen Raum anzulasten, dass nicht noch mehr Teilnehmer den Weg nach Oberhof gefunden haben. Insofern ging die Rechnung der Veranstalter nicht ganz auf, KollegInnen mit dem Anreiz eines verlängerten Wochenendes in den Ort am Rennsteig im Thüringer Wald zu locken. Die vielfältigen Freizeitangebote, die Oberhof zu bieten hat, wurden leider wenig genutzt. Auch das Angebot zur kostenlosen Kinderbetreuung wurde trotz Anmeldung von 7 Kindern zwischen 2 und 11 Jahren letztlich nur für 1 Kind genutzt. Schade, da die riesige Spielewelt im Treff Hotel “Panorama” für die Kleinen sicher ein tolles Erlebnis geworden wäre und sich die Betreuerin mit witzigen Spielideen und Preisen professionell vorbereitet hatte.

Bleibt weiter die Diskussion darum, wie es gelingen kann, außer mit hochkarätigen Referenten und guter Themenauswahl das Interesse der Ärzte der einzelnen Fachbereiche und darüber hinaus zu wecken, die Jahrestagung der TGPNK zu besuchen, gerade angesichts der Vielzahl von Fortbildungsangeboten, und besonders KollegInnen in der Ausbildung zu erreichen.